Notfälle in der Schwangerschaft – hypertensive Schwangerschaftserkrankungen


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Zu den hypertensiven Schwangerschaftserkrankungen zählen

  • der Gestationshypertonus,
  • die Gestationsproteinurie,
  • die Prä-Eklampsie,
  • die Eklampsie und
  • das HELLP-Syndrom.

In den Industrieländern handelt es sich mit 13 % um die dritthäufigste Ursache der Müttersterblichkeit. Schauen wir uns die Erkrankungen mal genauer an.

Der Gestationshypertonus ist gekennzeichnet durch Blutdruckwerte über 140/90 mmHg, die vor der 20. Schwangerschaftswoche (SSW) nicht bestanden und bis spätestens 6 Wochen postpartal enden.

Von Gestationsproteinurie sprechen wir, wenn eine Proteinurie über 300 mg/Tag neu auftritt.

Die Prä-Eklampsie beinhaltet einen Hypertonus und eine Organdysfunktion. Oftmals liegt eine Proteinurie vor, ist aber nicht zwingend erforderlich. Andere Organ-Dysfunktionen können die Diagnose bestätigen, wie z. B.

  • Serumkreatininspiegel über 1 mg/dl,
  • 2-fach erhöhte Transaminasen über dem oberen Referenzwert,
  • epigastrische Schmerzen,
  • Hämolysezeichen,
  • Thrombozytopenie,
  • DIC,
  • Visusverlust,
  • Doppelbildersehen,
  • Vigilanzminderung,
  • Hyperreflexie, aber auch
  • asymmetrische intrauterine Wachstumsretardierung und
  • unterschiedliche Dopplersonographien beider Aa. uterinae.

Die Pathophysiologie ist nicht eindeutig geklärt. Im Allgemeinen werden drei Hauptthesen diskutiert. Eine humorale, eine immunologische und eine vermehrte Freisetzung des antidiuretischen Hormons (ADH). Humoral geht man von einer Imbalance zwischen Thromboxan und Prostaglandin/Prostazyklin aus. Dieses führt zu einem generalisierten Vasospasmus und zur Thrombozytenaggregation mit der Ausbildung einer Mikrozirkulationsstörung. Immunologischscheinen besonders Primapara und Mehrgebärende mit anderen Partnern sowie bei positiver Familienanamnese betroffen zu sein. Die erhöhte ADH-Freisetzung führt zur Vermehrung des Blutvolumens, zum Hypertonus, zu Ödemen und zur Schädigung der Endothelzellen.

Die Therapie der Wahl ist die Blutdrucksenkung auf 130/80 mmHg. Das Mittel erster Wahl ist ɑ-Methyldopa oder alternativ Nifedipin. Metoprolol kann bei gleichzeitiger Tachykardie ebenso gegeben werden. Absolut kontraindiziert, weil teratogen, sind Diuretika, ACE-Hemmer und Angiotensin-Antagonisten.
Die Prä-Eklampsie ist oftmals mit der Eklampsie oder dem HELLP-Syndrom assoziiert. Sie ist aber nicht ausschließlich deren Vorstufe! Bei einer schweren Prä-Eklampsie sollte aber bereits eine antikonvulsive Therapie mit Magnesiumeingeleitet werden. Führt die Blutdrucksenkung nicht zum Erfolg, ist die Entbindung anzustreben.

Bei der Eklampsie treten tonisch-klonische Krämpfe auf, ohne dass neurologische Ursachen gefunden werden. Die Ursache ist unklar, eine veränderte Permeabilität der Blut-Hirn-Schranke wird diskutiert. Die Eklampsie kann mit der Prä-Eklampsie assoziiert sein, muss aber nicht. Als antikonvulsive Therapie wird Magnesium verwendet. Initial sollten 4-10 g Magnesium über 15 Minuten als Bolus und anschließend 2 g/h als Erhaltungsdosis gegeben werden. Andere Ursachen für Krampfanfälle müssen ausgeschlossen werden. Dazu zählen unter anderem Tumore, Vergiftungen, Hirnblutungen, Schlaganfälle, die Hypoglykämie, Encephalitis, Sinusvenenthrombose oder Addison-Krise.

Eine krampfende Schwangere ist immer ein interventionsbedürftiger Notfall! Zu bedenken ist, dass grundsätzlich ein erhöhtes Aspirationsrisiko besteht, dass die Schwangere in Linksseitenlage gelagert werden sollte, da in Rechtsseitenlage das Vena-cava-Syndrom mit vermindertem venösen Rückstrom zum Herzen und damit einem kombinierten Rechts- und Linksherzversagen droht. Die Indikation zur Intubation sollte entsprechend großzügig gestellt werden. Für den Feten besteht durch den Krampfanfall die Gefahr der Bradykardie. Hält diese länger als 15 Minuten an, ist unverzüglich die Entbindung mittels Kaiserschnitt anzustreben.

Das HELLP-Syndrom ist gekennzeichnet durch eine Hämolyse, elevated liver enzymes and low platelets. Das Inzidenzmaximum liegt in der 34. SSW. Die Sterblichkeit der Mutter liegt bei 0-24 % und die des Feten bei 37 %. Risikofaktoren sind Übergewicht, Multipara und ein mütterliches Alter über 35 Jahre. Die Schwangeren klagen vor allem über

  • Oberbauchbeschwerden,
  • Übelkeit,
  • Erbrechen und

Liegen diese Symptome vor, sollte an das HELLP-Syndrom gedacht und die Entbindung angestrebt werden. In den deutschen Leitlinien finden sich bisher keine eindeutigen Hinweise über die Indikation einer intensivmedizinischen Behandlung. Dieses solltet ihr aber durchaus anstreben, vor allem, wenn es zu fulminanten Verläufen kommt.

Das intensivmedizinische Management besteht aus vier Säulen: antihypertensive und antikonvulsive Therapie, supportive Therapie zur sicheren Entbindung und das Management der Komplikationen.

Antihypertensiv ist Urapidil das Mittel 1. Wahl. Antikonvulsiv ist Magnesium das Mittel erster Wahl. Hier muss allerdings auf den Reflexstatus geachtet werden. Ein verminderter Patellarsehnenreflex, Atemdepression, Bradykardie oder die Oligurie unter 0,5 ml/kgKG/h kann eine Intoxikation mit Magnesium anzeigen. Als Antidot ist 1 g Calciumgluconat zu geben. Supportive Maßnahmen zur sicheren Entbindung sind die fetale Lungenreifung und die Therapie der Thrombozytopenie. Liegt eine schwere Prä-Eklampsie oder Eklampsie vor, dann ist die Entbindung die einzige kausale Therapie. Ab der 34. SSW ist das auch das Mittel der Wahl. Zwischen der 24. und 34. SSW wird die Indikation anhand mütterlicher und fetaler Risiken gestellt. Liegt das fetale Wachstum unter der 5. Perzentile und ist dopplersonographisch eine fetoplazentare Perfusionsstörung nachweisbar, dann ist die Entbindung anzustreben. Zeigt die Mutter eine therapierefraktäre Hypertonie, zusätzlich Zeichen der kardialen Dekompensation, des Lungen-, Leber- oder Nierenversagens oder die Eklampsie, dann ist ebenfalls unverzüglich die Entbindung anzustreben. Kann primär eine Stabilisierung der Mutter erreicht werden, dann ist die Gabe von Kortikoiden zur fetalen Lungenreifung indiziert, um das infant respiratory distress syndrom (IRDS) zu minimieren. In den deutschen Leitlinien wird allerdings dazu keine allgemeine Empfehlung ausgesprochen. Vor der Entbindung sollte die Thrombozytenzahl ausreichend hoch sein, um das Blutungsrisiko zu minimieren. Wie hoch die Zahl sein soll, ist in den deutschen Querschnittsleitlinien nicht angegeben. Eine Zahl über 20.000/µl wird aber allgemein empfohlen. Für die SPA oder PDA wird eine Thrombozytenzahl über 80.000/µl empfohlen. Das Management der kardiopulmonalen, hepatologischen, nephrologischen und hämatologischen Komplikationen entspricht dem der Nichtschwangeren.

Das anästhesiologische Vorgehen richtet sich nach der Dringlichkeit der Entbindung. Für die vaginale Entbindungist der Periduralkatheter (PDK) das Mittel erster Wahl. Die Thrombozyten sollten über 80.000/µl sein. Für die Notfall-Sectio ist die SPA Mittel erster Wahl. Allerdings ist wie bei der PDK-Anlage eine intakte Gerinnung und eine ausreichend hohe Zahl an Thrombozyten unerlässlich. Ist das nicht der Fall, wird die Entbindung in Vollnarkose mit der Crash-Intubation durchgeführt.

Postpartal bleibt das Risiko für eine erneute Exazerbation bis zu sieben Tage bestehen. Die kritischste Zeit sind die ersten vier Stunden nach der Entbindung. Hier ist ein Monitoring der Vitalparameter essentiell. Die antihypertensive Therapie wird bis zum 4. Tag fortgesetzt und schrittweise reduziert. Auch die antikonvulsive Therapie bei der Eklampsie wird bis 48 Stunden nach Entbindung fortgesetzt.

Zusammenfassend ist ein Gestationshypertonus konsequent zu behandeln. Das Mittel erster Wahl ist ɑ-Methyldopa. Der Gestationshypertonus kann in eine Prä-Eklampsie mit Organdysfunktionen, Eklampsie mit tonisch-klonischen Krämpfen oder ein HELLP-Syndrom übergehen. Bei schweren Verläufen ist in jedem Fall die Entbindung die einzige kausale Therapie. Supportive Therapien sind antihypertensive, antikonvulsive Maßnahmen mit ɑ-Methyldopa, Urapidil oder Nifidipin bzw. Magnesium. Zwischen der 24. bis 34. SSW ist die Lungenreifung mit Kortikoiden zu erwägen. Die intensivmedizinische Betreuung schwerer Fälle ist zu empfehlen.

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