Cut-Off
Wenn man einen komplexen Laborbefund aufmerksam liest, so erkennt man, dass bei den Referenzintervallen bzw. Normbereichen nicht immer tatsächliche Bereiche angegeben sind, sondern häufig auch eine Entscheidungsgrenze, ein sogenannter Cut-Off.
Ein Beispiel hierfür ist das Troponin T. Zur Erkennung eines Herzinfarktes wird von den aktuellen Leitlinien dabei die 99. Perzentile einer Referenzkohorte des jeweiligen Assays als Grenze angeführt. Dabei soll eine herzgesunde Kohorte als Referenzkohorte dienen. Im Falle des hier beispielhaft ausgewählten Assays liegt diese 99. Perzentile bei 0.014 ng/ml. Dementsprechend liegt der Cut-Off, ab welchem man von einem erhöhten Troponin T-Wert sprechen würde bei größer als 0.014 ng/ml. Aber was ist nun der Unterschied zu einem Referenzintervall?
Wie wir im Video zu den Referenzintervallen gelernt haben, handelt es sich bei den Referenzintervallen immer um statistische Größen. Wir setzen also unseren beim Patienten gemessenen Wert in Beziehung zu unserer Referenz, also einer Gruppe von anscheinend gesunden Probanden, und zwar zu dem Bereich von der 2,5. bis 97,5. Perzentile der Messwerte dieser Kohorte. Wir vergleichen also den Patientenmesswert mit einem Bereich, den wir als wahrscheinlich gesunde Referenz definieren. Wir haben bei Referenzintervallen dementsprechend immer einer Ober- sowie eine Untergrenze. Mittlerweile sollen Bezeichnungen wie Toleranzbereich, Normbereich, Normalwerte usw. nicht mehr verwendet werden, da es sich rein fachlich nicht um Normalwerte, sondern eben um Referenzwerte handelt.
Während ein Referenzintervall eine statistische Größe ist, stellt ein Cut-Off eine klinische Entscheidungsgrenze dar. Was heißt das?
Ein Cut-Off versucht, anhand eines einzelnen Grenzwertes zwischen 2 Populationen, meist krank versus gesund, zu unterscheiden. Dieser optimale Cut-Off-Wert, also der Grenzwert, der die höchstmögliche Trennschärfe zur Unterscheidung der beiden Populationen liefert, wird meist in klinischen Studien erarbeitet. Es werden also nicht einfach anscheinend gesunde Probanden gemessen, sondern es werden zwei Populationen in Bezug auf ein Krankheitsbild miteinander verglichen und der Punkt mit der höchsten Trennschärfe gesucht.
Schauen wir uns hierzu ein Beispiel an.
In unserem Video seht ihr dieses Mal zwei theoretische Verteilungen der ALAT. Es wurde also die ALAT in 2 sich unterscheidenden Kohorten gemessen. Nehmen wir einmal an, wir wollen die ALAT benutzen, um zwischen Gesunden und Kranken einer Krankheit X zu unterscheiden. Links in rot ist dabei die gesunde Kohorte und rechts in grün die kranke Kohorte dargestellt. Schauen wir uns die Mitte des Histogramms an, so sehen wir, dass sich die beiden Verteilungen überschneiden. In unserer Studie würden wir nun mit verschiedenen mathematischen Verfahren den optimalen Cut-Off errechnen, den wir hier einmal beispielhaft einzeichnen. In vielen Fällen überlappen sich die zwei Verteilungen sogar noch mehr, sodass man bei einem Cut-Off immer auch Gesunde als erkrankt und Erkrankte als gesund klassifiziert.
Es gibt eine Vielzahl von Parametern, bei denen keine Referenzintervalle, sondern aufgrund hochwertiger klinischer Studien, ein Cut-Off in Bezug auf ein bestimmtes Krankheitsbild verwendet wird. Wichtige Beispiele hierfür sind die Glucose zur Diagnostik eines Diabetes, das LDL und dessen Zielwerte zur Einstellung bei Hypercholesterinämien oder das Troponin T in Bezug auf einen akuten Myokardinfarkt. Der große Vorteil eines Cut-Offs ist, dass er den Messwert des Patienten mit der klinischen Relevanz assoziiert und nicht selten auch eine Prognose zulässt.
Generell kann ein Cut-Off in beide Richtungen funktionieren, das heißt, eine Person kann krank sein, wenn der Cut-Off über- oder unterschritten wird.
Vor allem im Bereich der Infektionsserologie werden Cut-Offs oft mit grenzwertigen Bereichen kombiniert. Hierbei gibt es meist einen Cut-Off, unter welchem das Ergebnis mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit negativ ist, sowie einen Cut-Off über welchem das Ergebnis mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit als positiv gewertet werden kann. Dazwischen gibt es dann einen grenzwertigen Bereich. Die Erfahrung hat hier gezeigt, dass es Patienten gibt, deren Messwerte in diesem grenzwertigen Bereich liegen und die tatsächlich infiziert waren, aber auch Patienten gab, deren Messwerte in diesem grenzwertigen Bereich liegen und die nicht erkrankt sind. Hier bleibt dem Kliniker nur die Möglichkeit einer Verlaufskontrolle.