Referenzintervall


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Referenzintervall
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In den nächsten Videos beschäftigen wir uns mit den Grundlagen der Labormedizin. Dabei soll es vor allem um Dinge gehen, die Ihr in eurer späteren Laufbahn als klinisch tätige Kollegen gut gebrauchen könnt. Eins der Kernelemente der Labormedizin und der Interpretation von klinisch-chemischen Befunden ist das Referenzintervall.

Anhand dieser Referenzgrenzen wird oft über Krankheit und Gesundheit entschieden. Wir wollen uns nun mit den theoretischen Grundlagen beschäftigen, damit ihr in Zukunft sicher die vom Labor gelieferten Messwerte interpretieren könnt.

Bei einem Referenzintervall handelt es sich um eine statistische Größe. Als Goldstandard zur Erstellung von Referenzintervallen gelten sogenannte direkte Methoden. Hierbei wird eine gewisse Anzahl von „anscheinend gesunden Probanden“ gemessen. Im Nachhinein werden die Messergebnisse ohne weitere Korrekturen ausgewertet. Hierbei werden die sogenannten Perzentilen bestimmt. Das Referenzintervall ist dabei definiert als der Bereich von der 2,5. bis zu 97,5. Perzentile. Allerdings findet man in der Literatur auch häufig noch andere Angaben wie 5. bis 95. Perzentile.
Indirekte Methoden bekommen in letzter Zeit immer mehr Aufmerksamkeit. Hier werden durch mathematische Korrekturen die Referenzintervalle aus den in der Routinediagnostik ermittelten Messwerten kalkuliert.

Eine der bekanntesten Perzentilen ist der Median. Der Median ist die 50%-Perzentile. Das bedeutet, dass beim Wert des Medians 50% der Messwerte unter und 50% der Messwerte über diesem Wert liegen. In unserem Beispiel ist der Median 0.50 µmol/ls. Das heißt in unserer Kohorte liegen 50% der Werte der ALAT unter 0.5 µmol/ls und 50% darüber. Um das Referenzintervall zu erhalten, müssen wir nun die 2,5. und die 97,5. Perzentile bestimmen. Wie man so eine Bestimmung durchführt, könnt ihr in unseren Videos zu R und RStudio lernen. Bestimmen wir nun diese beiden Perzentilen, so ergibt sich folgendes Referenzintervall: 0.18 – 0.85 µmol/ls.
Was bedeutet das nun für unsere Interpretation?
Das heißt, dass wir mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Leberwerterhöhung haben, wenn der Messwert des Patienten innerhalb dieses Bereiches liegt. Es bedeutet aber auch, dass wir per definitionem 5% unserer „anscheinend gesunden“ Kohorte als krank bzw. nicht-normwertig definieren. Denn bei 2,5% unserer Gesunden liegt der Messwert unterhalb und bei 2,5% der Gesunden liegt der Messwert oberhalb des Referenzintervalls.
Diese Referenzgrenzen gelten, wenn man es ganz genau nimmt auch nur für die untersuchte Kohorte. Meist bleibt die Größenordnung zwischen verschiedenen Kohorten gleich, und es ergeben sich nur kleine Unterschiede, es gibt aber auch Parameter, bei denen sich die Referenzgrenzen je nach Kohorte und z.B. Ethnie sehr stark unterscheiden.
Liegt mein Messwert unter dem Referenzintervall, so kann eine Verminderung des Enzyms vorliegen, z.B. im Rahmen einer Leberzirrhose oder es kann sich um einen Patienten handeln, der zu den 2,5% der Gesunden außerhalb unserer Definition gehört.
Liegt mein Messwert über dem Referenzintervall, kann es sich um eine Zerstörung von Lebergewebe mit vermehrter Freisetzung der ALAT aus den Hepatozyten handeln oder mein Patient gehört zu den 2,5% der Gesunden außerhalb unserer Definition.

Messwerte die stark von den Referenzgrenzen abweichen gehen meistens auch mit klinischen Beschwerden des Patienten einher. Sollten Messwert und Klinik nicht übereinstimmen, so sollte Kontakt mit dem Labormediziner aufgenommen werden, da dieser die Qualität der Messung so noch einmal überprüfen kann.
Des Weiteren muss man wissen, dass jede labormedizinische Messung mit einer Ungenauigkeit, einem Messfehler daherkommt. Die Tests werden stetig weiterentwickelt, und die Messabweichungen immer kleiner, aber trotzdem werden wir wahrscheinlich nie 100%tig genau messen können.
Liegen also Messwerte leicht über oder unter den Referenzgrenzen, sollte die Klinik des Patienten entscheidend sein, es sollte aber mindestens eine Kontrolle nach einem sinnvollen Zeitraum erfolgen.
Da wir wie vorhin erwähnt, 5% unserer Gesunden per definitionem als krank abstempeln, sollte jeder Laborwert in Zusammenhang mit der Klinik des Patienten interpretiert werden. Ein Laborwert ohne Klinik sollte kritisch hinterfragt werden. Aber auch dafür gibt es Ausnahmen, z.B. die Diabetesdiagnostik, da wir hier oft erhöhte Messwerte bekommen und der Patient bereits an einem Diabetes erkrankt ist, aber noch keinerlei Symptome zeigen muss. In störanfälligeren Bereichen, wie in der Hormondiagnostik, sollten erniedrigte oder erhöhte Werte auf jeden Fall leitliniengerecht durch eine Zweitbestimmung zu einem anderen Zeitpunkt mit demselben Testverfahren bestätigt werden.

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