6.1 Betreuungsrechtliche Grundsätze: Vorsorgevollmachten
Eine Patientenverfügung ist mittlerweile vielen Patienten bekannt. Sie stellt die Willenskundgebung eines Menschen zur Einleitung bzw. zum Unterlassen medizinisch indizierter Maßnahmen dar. Dies gilt für den Zeitpunkt, in dem der Patient selbst aufgrund seiner gesundheitlichen Situation nicht mehr in der Lage ist, diesen Willen, also die Zustimmung oder Ablehnung), zu äußern (§ 1901a-c und 1904 BGB). Patientenverfügungen gelten grundsätzlich in jeder Lebensphase und in jedem Krankheitsstadium, also nicht nur bei irreversibel tödlichem Verlauf und nicht nur in der Sterbephasen.
Eine Patientenverfügung kann nur von einem volljährigen Menschen angefertigt werden.
Kinder und Jugendliche stellen also Sonderfälle dar. Diese können selbstverständlich Ihre Ansichten zu medizinischer Behandlung äußern. Eine rechtlich bindende Patientenverfügung im Sinne des Gesetzes § 1901a können sie jedoch nicht erstellen.Das heißt die gesetzlich Berechtigten also beispielsweise die Eltern oder andere Erziehungsberechtigte entscheiden hier. Jedoch können Jugendliche bei bestehender Einwilligungsfähigkeit aktuelle Maßnahmen ablehnen oder ihnen zustimmen. Hier muss im Konsens entschieden werden.
Voraussetzung für eine Patientenverfügung ist die Einsichtsfähigkeit in seine Entscheidung. Diese Verfügung muss schriftlich erstellt und eigenhändig unterschrieben sein. Man kann Vordrucke verwenden. Dabei darf die Verfügung aber nicht pauschal verfasst sein. Als der Satz: „Ich lehne lebensverlängernde Maßnahmen ab“ ist zu pauschal. Besser sind konkrete Behandlungssituationen erfasst. Z. B.: „Ich wünsche keine wiederbelebenden Maßnahmen, keine Sondenernährung, keine Flüssigkeitszufuhr im unmittelbaren Sterbeprozess bei jedweilem Krebsleiden.
Eine Beglaubigung durch einen Notar ist nicht zwingend notwendig. Der Widerruf einer Verfügung kann mündlich erfolgen. Das macht das ganze dann tatsächlich hochkomplex. Denn eine regelmäßige Erneuerung ist nicht notwendig. Es wird aber empfohlen, regelmäßig zu überdenken, ob denn die eigene Lebenssituation der Patientenverfügung noch entspricht. Jede Änderung muss erneut unterschrieben werden.
Nun muss im Krankenhaus, oder in der Häuslichkeit jedoch noch die Indikation für eine medizinische Behandlung eindeutig gegeben sein und die Willenserklärung des Patienten in Bezug auf diese aktuell vorliegende Situation eindeutig und gültig sein. Dann hat der Arzt dem Patientenwillen entsprechend zu handeln.
Ist der Patientenwillen bezogen auf die aktuell vorliegende Situation aus dieser Patientenverfügung nicht eindeutig zu ermitteln, muss der Arzt anschließend prüfen, ob eine Betreuung (rechtlich bestellt) vorliegt bzw. der Patient einen Bevollmächtigten hat. Die Gespräche mit Vorsorgebevollämächtigten sind oft komplex und benötigen lange Dialoge. Es ist also ein Konsens herzustellen. Gelingt dies, handelt der Arzt entsprechend.
Gelingt dieser Konsens nicht, was häufig der Fall ist, oder liegen weder eine Betreuung noch eine Vollmacht vor, so ist ein Betreuungsgericht einzuschalten.
Was macht man nun im Notfall?
In einer Notfallsituation ist ja ein rasches Handeln indiziert. Hierbei soll der Arzt ebenfalls mit den Angehörigen des Patienten eine gemeinsame Entscheidung treffen. Gelingt dies aber nicht, so sind primär lebensrettende Maßnahme einzuleiten und dann im Nachhinein nochmals in den Dialog zu gehen, oder das Betreuungsgericht hinzuzuziehen. Wenn man bedenkt wie komplex die Handhabung zur Patientenverfügung ist, ist es logisch, dass der Hausarzt seinen Patienten bei der Erstellung einer Patientenverfügung berät. Es sollen medizinische Sachverhalte erklärt und der aktuelle Stand der Medizin und Palliativmedizin erläutert werden. Eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung ist dies jedoch nicht. Auch bei solch einer Beratung gilt abschließend die Dokumentation in der Krankenakte. Selbst wenn also eine Patientenverfügung vorliegt, spielt diese in der Praxis, also in Entscheidungssituationen im Krankenhaus, oder auch in der Pflegeinrichtung, nur eine untergeordnete Rolle. Die Patientenverfügung ist eben häufig unbrauchbar. Ein Großteil der Verfügungen sind im Schnitt unvollständig ausgefüllt und deshalb nur schwer oder gar nicht interpretierbar.
Als Arzt sollte man auf häufige Fehler beim Erstellen der Verfügung hinweisen.
Formulierungen wie: „Wenn ich mich in einer aussichtslosen gesundheitlichen Krise befinde, wünsche ich keine lebensverlängernden Maßnahmen.“ sind eher nicht konkret. Was ist mit aussichtslos gemeint und was mit Krise? Welche Maßnahmen genau sollen unterbleiben? Hierzu gab es mehrere Urteile des Bundesgerichtshof, die das „Patientenverfügungsgesetz“ auslegen.
Am Ende kann auch ein Ethikkomitee bei kritischen Entscheidungen zur Hilfe genommen werden. Interessant ist, dass die Patientenverfügung und auch die Vorsorgevollmacht beim zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer gegen eine Gebühr hinterlegt werden kann. Erfahrungsgemäß wird hier innerklinisch jedoch kaum Kontakt aufgenommen, um dies zu überprüfen ,Häufiger wird im Konsens mit Angehörigen entscheiden. Es bietet sich an in diesem Zusammenhang auch auf die Errichtung einer Vorsorgevollmacht einzugehen.
Dies ist die Bestellung eines Vertrauten, der sich im äußersten Falle um die Belange des Betroffenen kümmern soll. Also auch bei der Entscheidung zu lebensverlängernden Maßnahmen in den Dialog einbezogen wird. Eine rechtliche Betreuung kann hiermit i. d. R. vermieden werden. So weit so gut. Aber schauen wir uns das nochmal genauer an. Die Vorsorgevollmacht ist nicht die Patientenverfügung und darf auf keinen Fall mit der Betreuungsverfügung verwechselt werden. In der Patientenverfügung wird nicht geklärt wer handeln soll, sondern der Verfügende selbst regelt was mit ihm geschehen soll. Die Betreuungsverfügung dient, anders als bei der Vorsorgevollmacht nicht der Vermeidung einer Betreuung, sondern der Gestaltung der vom Gericht angeordneten Betreuung. Die Betreuungsverfügung kann also Wünsche zur Auswahl des Betreuers und zur Durchführung einer Betreuung enthalten.
Das heißt eine Betreuungsverfügungen kommt häufig als "Notlösung" für den Fall in Frage, dass die primär gewünschte Vertretung durch den Vorsorgebevollmächtigten scheitert und vom Betreuungsgericht eine Betreuung angeordnet wird. Ein einfaches Beispiel wäre, dass die Person in der Vollmacht verstorben ist. Denn ein Bevollmächtigter möchte evtl. nicht immer über Leben und Tod entscheiden.
Einfach erklärt heißt das die Patientenverfügung sagt:
„Ich möchte keine Reanimation“
Die Vorsorgevollmacht sagt:
„Max Mustermann darf entscheiden, ob ich reanimiert werde.“
Die Betreuungsverfügung sagt:
„Hans Mustermann darf vom Gericht als mein Betreuer bestellt werden.“
Gehen wir hierzu 3 stark Vereinfachte Beispiele durch.
Herr Müller hat einen Verkehrsunfall und fällt Monate lang ins Koma. Seiner Lebenspartnerin hatte er immer gesagt, er möchte keine wiederbelebenden Maßnahmen haben. Die 2 Kinder des Patienten wünschen generell, dass alles versucht wird, um ihn am Leben zu erhalten. Sie haben sich mit solch einer Frage jedoch noch nie wirklich auseinandergesetzt.
Variante 1:
Herr Müller hat keine Patientenverfügung und keine Vorsorgevollmacht.
Es wird also das Gespräch mit den Angehörigen gesucht. Herr Müller ist nicht verheiratet.
Im optimalen Fall einigen sich die Töchter und die Lebenspartnerin auf ein Vorgehen.
Der Arzt berät hierbei.
Sollte es zu keiner Einigung kommen, wird ein rechtlicher Betreuer bestellt, der in der Regel nach Beratung des Arztes eine Entscheidung trifft. Auch ein Ethikkomitee kann erfolgen.
Variante 2:
Herr Müller hat keine Patientenverfügung, aber Vorsorgevollmacht. Als Bevollmächtigte ist seine Tochter Bea benannt.
Diese wird nun primär in die Entscheidung einbezogen, hat aber auch eine große Last zu tragen. Denn wirklich sicher ist sie sich nicht, ob ihre Entscheidung im Sinne des Vaters liegt.
Variante 2:
Herr Müller hat eine Patientenverfügung und eine Vorsorgevollmacht. Als Bevollmächtigte ist weiterhin seine Tochter Bea benannt.
In der Verfügung ist klar beschrieben, dass er keine Maßnahmen im Sinne von wiederbelebenden Maßnahmen, sowie Sondenernährung und Flüssigkeitszufuhr wünscht.
Die Patientenverfügung wird respektiert. Auch der Bevollmächtigten dient diese als Unterstützung für weitere Entscheidungen, sollte etwas unklar formuliert sein, wird sie hinzugezogen.
Die Entscheidung selbst, hat jedoch Herr Müller schon getroffen, als er noch Handlungsfähig war.